Pädagogisches Konzept

Auszug aus dem pädagogischen Konzept des Kinderhauses Worpswede:

 

Grundlegend für unser Menschenbild ist die ganzheitliche Betrachtungsweise des Kindes. Wir sehen die angemessene Berücksichtigung emotionaler Bedürfnisse und das Erlernen sozialer Fähigkeiten im Umgang miteinander als sichere Grund lage weiterer Entwicklung, z. B. auch im kognitiven Bereich. Die Kinder sollen in uns als Erziehern verlässliche Bindungspartner finden, denen sie ver- trauen können. Wir wollen sie in ihrer individuellen Persönlichkeit wahrnehmen, fördern und stärken.

 

 

Hieraus ergeben sich folgende pädagogische Leitgedanken:

 

● Alle Kinder in ihrem einzigartigen Sein annehmen.

 

● Dem Kind Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die eine eigenständige Alltagsbewältigung im Rahmen seiner jeweiligen Möglichkeiten erlauben.

 

● Durch Bewegungsangebote und die Heranführung an ausgewogene Ernährung bei den Kindern einen Sinn für gesunde Lebensführung wecken. Dabei ist es uns wichtig, dass die Kinder auch lernen, unterschiedliche Esskulturen zu tolerieren.

 

● Phantasie und Selbsttätigkeit im Schöpferischen fördern, nicht nur mit bildnerischen Mitteln und im Werkbereich, sondern auch durch Musik und Theater: Musikalität anregen ( z. B. durch Singen und mit Orffschen Instrumenten ), darstellendes Spiel, Aufführungen bei Festen etc.

 

● Erfahrungsräume öffnen und den Kindern Möglichkeiten bieten, sich Bildung und Wissen aktiv anzueignen. Hierfür sind weniger unsere Erwachsenen-Maßstäbe wichtig als die Spur, die ein Kind von sich aus verfolgt. Geht ein Kind seinen Weg selbst und kommt zu eigenen Annahmen und Lösungsmöglichkeiten, dann setzt vermehrte Vernetzungstätigkeit im Gehirn ein, die schließlich die Basis für weiteres Lernen bildet. Wir unterstützen die Kinder, indem wir ihre Themen ernst nehmen und regen den Selbstbildungsprozess bei ihnen an durch Ermunterung zu weiteren Fragen oder wenn wir Zugang zu Methoden der Informationsgewinnung schaffen (Wissensquelle Bibliothek, Experten in der Umgebung etc.)

 

● Das Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Kindern ist selbstverständliche Grundlage unseres integrativen Ansatzes.

Wir bestreiten unseren Alltag gemeinsam und unterstützen uns gegenseitig mit den jeweils vorhandenen Mitteln. Unsere Erfahrung ist, dass Kinder zunächst unvoreingenommen mit Beeinträchtigungen umgehen. Sie stellen Fragen, wollen verstehen und entwickeln Fürsorge. Dazu bedarf es eines offenen und selbstverständlichen Umgangs mit der Beeinträchtigung. Die Kinder übernehmen teilweise kleine Aufgaben und erfreuen sich am Gelingen von Austausch und Kommunikation. Wir als Erzieher übernehmen wo nötig auch die 1:1-Betreuung von stark beeinträchtigten Kindern. Zu unserer täglichen Arbeit gehört es, Übungseinheiten für einzelne Kinder z. B. aus Logopädie und Krankengymnastik in den Kindergartenalltag einzubauen.

 

● Miteinander Aufwachsen von Kindern unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft sehen wir als Bereicherung unserer Einrichtung.

 

● Den Kindern sozial verantwortliches Denken und Handeln vermitteln. Dazu gehört auch, Konflikte gewaltfrei auszutragen.

 

● Ein wesentlicher Wert, den wir mit unserer Arbeit vermitteln möchten, ist Respekt vor allen Lebewesen, sei es Pflanze, Tier oder Mensch.

 

 

Welche Wege gehen wir, um die gesetzten Ziele zu erreichen?

 

Das Kinderhaus bietet gute räumliche und personelle Möglichkeiten, um die genannten Leitgedanken umsetzen zu können. Auch die reduzierte Gruppenstärke von nur 18 Kindern ist dabei von Vorteil. Ebenso wichtig ist der Tagesablauf, der folgendermaßen strukturiert ist:

 

● Ankunftszeit: 7.30-9.00 Uhr

 

● Freies Spiel bis ca. 9.00 Uhr (inkl. mit den Kindern besprochene Angebote)

 

● Anschließend gemeinsames Frühstück mit offenem Ende (jedes Kind kann aufstehen, wenn es fertig ist)

 

● Gemeinsamer Morgenkreis

 

● Ca. 10.30 Uhr unterschiedliche interessenbezogene (teilweise auch projektgebundene) Angebote und Freispiel

 

● ab 11.45 Aufräumen

 

● Bis 12.30 Uhr wird ein Teil der Kinder abgeholt

 

● 12.30 Uhr Mittagessen mit gemeinsamem Abschluss für alle

 

● Anschließend Freispiel oder interessenorientierte Angebote

 

● 13.45-14.00 Uhr Abholung der Essenskinder

 

Die individuelle Ankunftszeit bedeutet, dass nicht alle Kinder gleichzeitig ankommen, und wir damit die Möglichkeit haben, schon bei der Begrüßung individuell auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Kinder, die in den Kindergarten kommen, bringen ihre jeweilige Lebenssituation mit und bedürfen häufig unserer persönlichen Ansprache. Deshalb können die Kinder in dieser Zeit in Kleinstgruppen oder auch allein unsere Aufmerksamkeit beanspruchen und / oder selbständig zu ihrem Spiel und zu ihren Freunden finden. Durch die klare Funktionalität der einzelnen Räume fällt es den Kindern leichter, sich im Kinderhaus zu orientieren. Interessengruppen finden besser zueinander. Ständiges gegenseitiges Stören und damit verbundene Reglementierungen unsererseits werden auf ein Minimum beschränkt.

 

Das gemeinsame Frühstück dient nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern fördert die Freude an der Kommunikation beim Essen in der Gemeinschaft der kleinen Tischgruppen. Das Ende gestaltet sich offen, da jedes Kind selbständig und eigenverantwortlich entscheiden kann, wann es sein Frühstück beenden und den Raum wieder verlassen möchte.

 

Nach dem Frühstück findet unser Morgenkreis statt. Am Morgenkreis nehmen grundsätzlich alle Kinder mit uns gemeinsam teil. Hier wird z.B. gesungen, getanzt, erzählt, gespielt und gelacht. Ebenso werden Angebote gezielt vorgestellt und auch Regeln oder aktuelle Probleme angesprochen. Die Kinder erhalten einen Überblick über die Tagessituation in der Gruppe. Dazu gehört z.B. auch festzustellen, wer fehlt und warum.

 

Die im Morgenkreis vorgestellten Angebote können nun wahrgenommen werden. Sie können z.B. folgende Bereiche beinhalten:

 

Arbeit im Atelierraum (z.B. töpfern, malen, weben, werken, kleben, schnipseln, falten etc.

 

Bewegung: z. B. Spiel mit Fahrzeugen, Klettern und Rennen auf dem Außengelände, 14-tägiges Turnen in der Turnhalle der Grundschule, Bewegungsbaustellen, Trampolinspringen, angeleitete Spielideen innerhalb und außerhalb des Hauses

 

Hauswirtschaft: backen, kochen, Frühstück vorbereiten (=wöchentlich wechselnder Dienst der Kinder mit täglichem Tischdecken, Einkauf und Zubereitung des Mittwochsfrühstücks)

 

Natur: z.B. Spaziergänge, Tiere und Pflanzen beobachten, jährlich stattfindende Waldwoche im Frühsommer, gärtnern, sammeln und beforschen von Naturgegenständen usw.

 

In der Regel ist die Teilnahme an allen Angeboten freiwillig. Die Kinder, die an einem Angebot nicht teilnehmen möchten, können im freien Spiel ihren Bedürfnissen nachgehen.

 

Für uns ist es wichtig, dass die Kinder lernen, für ihre eigene Zufriedenheit selbst verantwortlich zu sein. Dazu gehört auch, mit unserer Unterstützung zu lernen, unbefriedigende Situationen auszuhalten und zu bewältigen. Hier gilt manchmal: 'Langeweile inspiriert!'

 

Kinder lernen voneinander. Dies gilt auch für so genannte behinderte Kinder. Sie werden von den nicht behinderten Kindern motiviert und lernen durch diese im Spiel vielfältige Verhaltensweisen und Ausdrucksformen kennen. Umgekehrt profitieren die Kinder direkt vom gemeinsamen Aufwachsen, denn jeder wird hier für kleinste Anzeichen von Fortschritt und Entwicklung sensibilisiert. Die Hemmung in der Kontaktaufnahme zu beeinträchtigten Menschen wird früh durchbrochen. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, alle Kinder mit in unsere Aktivitäten einzubeziehen.

 

Eine Festigung der Gruppenzugehörigkeit und Stolz auf erste Fähigkeiten zur Abnabelung von zuhause wird durch das alljährliche Angebot der Kinderhaus- Übernachtung gefördert. Diese findet auf freiwilliger Basis in den vertrauten Räumen des Kinderhauses statt.

 

Was ist uns besonders wichtig?

 

Wir arbeiten integrativ. Uns ist wichtig, dass alle Kinder in ihrer Einzigartigkeit vollständig akzeptiert werden und zur Entfaltung ihrer Möglichkeiten kommen.

 

Hierbei ist das freie Spiel von entscheidender Wichtigkeit. Kinder lernen durch eigenes Handeln und Ausprobieren. Sie sind begeisterte Forscher und Entwickler, wenn ihnen Raum dafür gegeben wird. Um eigene Ideen umzusetzen, braucht es kindliche Arbeitsorganisation und Austausch miteinander. Kinder arbeiten in ihren Projekten Hand in Hand, wenn sie den Einigungsprozess selbst gestalten können. Für die Erfahrung der Selbstwirksamkeit brauchen Kinder bestimmte Bedingungen, z. B. in der Tagesstruktur und Raumgestaltung. Wir trauen den Kindern viel Kompetenz zu und ermuntern sie, ihre Fähigkeiten zu erproben. Wo es nötig ist, stehen wir als Unterstützer zur Verfügung.

 

Im Freispiel verstehen wir uns als Beobachter und eher stille Teilnehmer im Hintergrund. So können wir die Handlungsweisen der Kinder am ehesten begreifen und unser pädagogisches Handeln, z. B. auch die Themenfindung für Projektarbeit danach ausrichten.

 

Es ergibt sich auf diese Weise ein immer neues Hinblicken auf die Bedürfnisse der jeweils anwesenden Kinder.

 

Wir orientieren uns bei dem, was möglich ist, an den aktuell vorhandenen Ressourcen in der Kindergruppe. Die altersgemischte Kindergruppe bildet eine wichtige Grundlage für integratives Arbeiten. Jedes Kind erlebt durch das tägliche Miteinander in der Gruppe, dass es bestimmte Dinge schon kann und andere noch nicht, die es vielleicht noch lernen wird.

 

 

Pädagogisches Konzept, Juni 2007
Konzept Kinderhaus Worpswede.pdf
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